Wordbee: begriffsorientierte Terminologiearbeit nun möglich?
by Helena Stamatovic
Im Zuge der Umstellung vieler Schweizer Unternehmen weg von desktopbasierten CAT-Tools hin zu webbasierten Integrallösungen hat Language Box im März 2018 das webbasierte Übersetzungsverwaltungssystem Wordbee unter die Lupe genommen. Nebst den zahlreichen Vorteilen, die eine solche Komplettlösung mit sich bringt, wurde damals auch ein nicht zu unterschätzendes Manko hervorgehoben: Nämlich das Fehlen einer adäquaten Datenbank, um die Unternehmensterminologie begriffsorientiert zu organisieren und zu verwalten.
Stellte Wordbee für die Terminologieverwaltung bisher lediglich eine Art Glossar zur Verfügung, wird neu an der Entwicklung einer umfassenderen und vor allem begriffsorientierten Datenbank gearbeitet, die seit dem Frühjahr 2019 auch für Kunden erhältlich ist. Language Box hat die erste Version der langersehnten Erweiterung ausgiebig getestet.
Wordbees neuer Terminology Manager: ein Überblick
Wordbee ist ein cloudbasiertes SaaS-Produkt. Einer der Vorteile von SaaS ist, dass neue Funktionen frühzeitig für Kundenfeedbacks angeboten werden können, so auch der Wordbee Terminology Manager. Auf Grundlage dieser Feedbacks kann folglich an Updates gearbeitet werden. Wir hatten die Gelegenheit, die Erstversion zu testen, einen exklusiven Blick hinter die Kulissen weiterer Entwicklungen zu werfen und somit den ersten detaillierten Review über den Terminology Manager zu schreiben.
1. Datenbankstruktur und -funktionen:
Der Terminology Manager von Wordbee ist nicht im Standardpaket enthalten, kann jedoch als Modul zusätzlich erworben werden. Ist das Modul freigeschaltet, müssen selbst erfahrene Terminologen vor dem Start mit der tatsächlichen Terminologiearbeit mit einer moderaten Lernkurve rechnen.
Während die dreistufige Hierarchie zur Strukturierung der Datenbank, die Filter- und Suchfunktionen sowie die Einrichtung benutzerdefinierter Datenfelder innerhalb des Terminology Managers gegeben und deren Handhabung weitgehend intuitiv sind, fehlen derzeit überraschenderweise noch Grundfunktionen wie etwa das simple Duplizieren eines Eintrags oder das Hinzufügen mehrerer Bilder.
2. Editor:
In der Interaktion mit dem Editor präsentiert sich die neue Datenbank eher bescheiden. So ist im Editor während der Übersetzung ein in der Terminologiedatenbank hinterlegter Begriff nicht auf den ersten Blick erkennbar, sondern geht in der Fülle an Informationen aus dem Translation Memory unter. In der Terminologiedatenbank vorhandene Begriffe werden im Ausgangssegment nicht als solche markiert.
Seit dem Release der Erstversion hat Wordbee in eine Art «Quickview» investiert, welche als nächstes veröffentlicht wird. Pro Plattform kann jeweils ein Quickview-Template festgelegt und für folgende Aktionen verwendet werden:
- Markieren von vorhandenen Begriffen im Ausgangssegment.
- Anzeigen von benutzerdefinierten Informationen direkt im Tooltip, wenn sich der Cursor über dem hervorgehobenen Begriff befindet.
- Möglichkeit zur reduzierten Informationsanzeige im Quickview, die bei Bedarf erweitert werden kann.
Aufgrund unterschiedlicher Verwendung von Terminologie in Unternehmen hat Wordbee festgestellt, dass Organisationen in der Lage sein müssen, die im Quickview angezeigten Standardinformationen selbst zu definieren. Diese neuen Entwicklungen sind durchaus zu begrüssen, da zum jetzigen Zeitpunkt das Anzeigen weiterer Felder und Details zu viele Griffe zur Maus erfordert.
3. Terminologieprüfung
Auch die klassische Terminologieprüfung während und nach einer Übersetzung weist Mängel auf: Obwohl einem Übersetzungsprojekt die entsprechende Terminologiedatenbank zugewiesen werden kann, besteht zu den hinterlegten Feldern keine direkte Verbindung. In anderen Worten: Termini, die in der Datenbank beispielsweise als «verboten» markiert wurden, werden während der Eingabe in das Zielsegment oder beim anschliessenden QA-Check nicht automatisch als solche hervorgehoben. Dies ist immer noch mittels der manuellen Erstellung von Listen verbotener Termini zu umgehen.
Der QA-Check von Wordbee enthält bereits eine Fülle an Informationen. Daher war es überraschend, dass in der Erstversion einige Felder des Terminology Managers nicht enthalten waren. Laut Wordbee ist dies für den Release nachfolgender Versionen vorgesehen.
4. Validierung, Import und Export
Validierung, Import und Export sind wichtige Bestandteile des Terminologiemanagements. Wer fachgerechte Terminologiearbeit leistet, nimmt nicht planlos irgendwelche Begriffe auf, sondern prüft und validiert diese vorgängig nach einem klar definierten Validierungsprozess. Ob dieser Validierungsprozess innerhalb oder ausserhalb eines Tools geschieht, ist von der Arbeitsweise des jeweiligen Terminologiezirkels abhängig. In der Praxis jedoch finden die Prüf- und Validierungsschritte von vorgeschlagenen Einträgen oft «im Batch» (also stapelweise) statt, um nicht jeden Eintrag manuell bearbeiten zu müssen. Aus diesem Grund ist das effiziente Filtern, Exportieren und Importieren von Begriffstabellen inkl. Datenfeldern und Zusatzinformationen von zentraler Bedeutung, was in der aktuellen Version des Tools allerdings nur bedingt umsetzbar ist.
Unser Fazit: Workarounds notwendig – bis es dann soweit ist
Obwohl die kommenden Versionen des vollständig integrierten Terminology Managers in ein End-to-End-System wie Wordbee vielversprechend erscheinen, verlangt die Erstversion noch einige Verbesserungen.
Um in Wordbee fachgerechte Terminologiearbeit von A bis Z umsetzen zu können, mussten wir somit in den Tests für unsere Kunden nicht nur eine ganz neue Herangehensweise erarbeiten, sondern uns auch verschiedene Strategien und Workarounds ausdenken, zumal die Benutzerdokumentation keine grosse Hilfe war. Diesbezüglich punktet Wordbee jedoch mit der Funktionsvielfalt und Flexibilität des Systems, die wir zu diesem Zweck als «Nothelfer» einsetzen konnten – was allerdings nur mit einem tiefen Verständnis von unternehmensinternen Übersetzungsprozessen, Terminologiearbeit und des Systems selbst möglich ist.
Natürlich ist ein Tool, zu dessen Verwendung mehrere Workarounds notwendig sind, keine optimale Ausgangslage. Laut Wordbee ist die Erstversion des Terminology Managers noch auf (Kunden-)Feedback angewiesen und steht somit am Anfang einer ganzen Reihe von weiteren Releases. Verständlich, dass Wordbee angesichts des Potenzials des neuen Systems grosse Begeisterung gezeigt hat – bis dieses jedoch zur Gänze ausgeschöpft werden kann, heisst es für Wordbee-Kunden erstmal: Mit dem arbeiten, was zur Verfügung steht, und fleissig Feedback bereitstellen.